Fast 70 Dörfer und Weiler mussten einst für den Truppenübungsplatz Grafenwöhr weichen. Bei der ersten Ablösung 1908 waren 300 Einwohner und bei der Erweiterung 1938 nochmal 3.500 Bewohner dazu angehalten ihre alte Heimat zu verlassen. In seinem Buch „Truppenübungsplatz Grafenwöhr – Geschichte einer Landschaft“ hat Eckehard Griesbach die ehemaligen Dörfer und ihre Bewohner genau erfasst und somit für die Nachwelt erhalten.
Teil 1 Verlorene Dörfer- die erste Ablösung 1907
Als 1904 die Entscheidung für den Bau des Truppenübungsplatzes für den Standort Grafenwöhr fiel, war unter anderem die dünne Besiedlung des Landstrichs ausschlaggebend. Ein Großteil des Landes gehörte bereits dem Staat, es gab nur 11 kleine Ortschaften, davon die meisten vereinzelte Weiler mit insgesamt nur rund 300 Einwohnern, die umgesiedelt werden mussten. Betroffen waren Annahütte, Erzhäusl, Flügelsburg, Grünhund, Hirschmühle, Schmierhütte am Gründhundweiher, Untere Schmierhütte, Schwarzenhäusl, Wolfslegel, Ziegelhütte und am östlichen Rand Nagelschmiede.
Während der Ablöseverhandlungen des Königlich Bayerischen Kriegsministeriums mit den Bezirksämtern Eschenbach, Neustadt/WN und Amberg wurden die Ausmaße des neuen Übungsgeländes festgelegt. Es umfasste circa 91 km², davon gehörten 54 km² bereits dem Staat. Die fehlenden Grundstücke sollten direkt von der Militärverwaltung von den Privaten angekauft werden. Zum Grunderwerbskommissär für die Verhandlungen wurde der „Wirkliche Geheime Kriegsrat“ Nischler ernannt. Für etwaige nötige Enteignungen gab das Innenministerium 1906 die Genehmigung zu Zwangsentäußerungsverfahren. Erste Verhandlungen begannen im April 1907 in den Wirtshäusern der Gemeinden, zu denen die Betroffenen geladen wurden. Als schwierig erwies sich die Ablösung von Forst- und Streurechten. Diese gingen im Gebiet um Vilseck zurück auf den Bamberger Bischof Lampert, der im Jahre 1385 den Untertanen eine unentgeltliche Nutzung von Brennholz und Streu zusicherte. 1907, rund 600 Jahre später, umfasste dieses Forstrecht 3 Klafter Holz und 10 Ster Streu, das neben Weiderechten irgendwie abgelöst werden musste, da es für kleine Bauernhöfe zu dieser Zeit noch von existentieller Bedeutung war. Bei den Verhandlungen waren die Betroffenen außerdem der Meinung, dass nicht nur der gegenwärtige Wert, sondern auch der Verlust für die nachfolgenden Generationen abzulösen sei. Gefordert wurden von den Betroffenen 1.000 Mark für einen Klafter Holz, 1.200 Mark für zehn Ster Streu und 1.000 Mark für Weideberechtigung. Die Ablösungskommission kam nach ihren Berechnungen allerdings nur auf die Hälfte der Beträge.
Nach Verhandlungsbeginn im April 1907, mussten die Bewohner bereits Anfang Juli 1907 ihre Dörfer räumen. Die Verbindungsstraßen Grafenwöhr-Vilseck (Vilsecker Straße) und Grafenwöhr-Freihung (Alte Amberger Straße) wurden gesperrt, dafür entstand die heutige B299 von der Neuen Amberger Straße über Kaltenbrunn – Tanzfleck-Langenbruck, die 1910 ihrer Bestimmung übergeben wurde.
Viele der Bewohner ließen sich rund um den Übungsplatz nieder und fanden dort eine neue Heimat, Arbeitsplätze im Truppenübungsplatz oder verdienten Lohn und Brot als Dienstleister oder Handwerker für den Truppenübungsplatz. In einem Abschlussschreiben des königlichen Kriegsministeriums an das Bezirksamt Eschenbach vom 25.1.1913 wird die Zufriedenheit aller Beteiligten hervorgehoben. So hätten viele nicht nur angemessene Entschädigungen und vollwertigen Ersatz für den Unterhalt erhalten, sondern vielfach hätten sich die Lebensverhältnisse wesentlich gebessert, so die Meinung des Kriegsministeriums.