Seit Eröffnung des Truppenübungsplatzes 1910 waren die Stadtverwaltung und der Verschönerungsverein (heute Heimatverein) bestrebt, das Stadtbild für die zahlreichen Fremden in der Stadt attraktiver zu gestalten. Es wurden Grünanlagen und Bänke geschaffen, Straßen gepflastert und die Grafenwöhrer dazu angehalten ihre Häuser und Gebäude herzurichten. Beim Schönbergfest 1927 wurde aber zu ungewöhnlichen Mitteln gegriffen.
Das Eschenbacher Amtsblatt meldete, dass an diesem Tag, dem 26.6., neun alte Stroh gedeckte Scheunen in der Bahnhofstraße vollständig niederbrannten. Die Brandursache sei unbekannt. Mehr Auskunft gibt der ausführliche Polizeibericht von Wachtmeister Schöpfl, der das Verhalten des damaligen Bürgermeisters Deyerling, der Feuerwehr und der Bürger schildert.
Die Städel waren in unterschiedlichem Zustand, einige baufällig, neuere – 1910 und 1912 erst erbaut – noch in sehr gutem Zustand. Nur das Äußere beeinträchtigte das Stadtbild. Schon oft gab es Stimmen aus der Bevölkerung, dass über die Schandflecke vielleicht einmal ein „warmer Wind“ ergehen oder dass sich dieser mal jemand „erbarmen“ und diese anzünden solle.
Trotz dieser launigen Aussagen dachte natürlich niemand an mutwillige Brandstiftung. Dann kam das Schönbergfest. Bei der Veranstaltung wurde neben dem Anzünden des Johannisfeuers zum krönenden Abschluss unter Aufsicht der Polizei und Lagerpolizei von Feuerwerkern des Lagers um circa halb zehn Uhr Raketen und Leuchtkugeln abgeschossen. Das Material wurde ordnungsgemäß wieder verräumt und keine Leuchtmittel hinterlassen. Am Schönberg herrschte beste Feststimmung. Gegen 23 Uhr bemerkte der diensthabende Wachtmeister Schöpfl, dass Leuchtkugeln vom Schönberg in Richtung der Städel an der Bahnhofstraße in 150 m Luftlinie abgeschossen wurden und sich eine Scheune bereits entzündet hatte. Polizist Schöpfl eilte zum Brandort und wunderte sich dort über eine leer geräumte Scheune, jubelnde Zuschauer und den Bürgermeister. Da trotz mehrfacher Aufforderung der Polizei niemand gewillt war die Feuerwehr zu alarmieren oder zu helfen, griffen die Flammen schnell auf eine zweite Stadelreihe über. Erst über eine Stunde später traf die Motorspritze der Feuerwehr ein. Nach nochmaliger Verzögerung von einer halben Stunde konnte mit dem Löschen begonnen werden. Die Feuerwehr informierte über die Verzögerung, dass die Schläuche falsch angesteckt worden wären, manche Schläuche seien wohl auch verstopft gewesen, andere meinten, der Kühler des Motors sei heiß gelaufen. Wachtmeister Schöpfl bat darum andere Feuerwehren fernmündlich zu verständigen, doch die Einsatzleiter und der Bürgermeister sahen keine Notwendigkeit. Da der Kommandant sturzbetrunken war, musste sein Stellvertreter den Einsatz leiten, der sein bestes tat. Doch auch die dritte Stadelreihe, die eigentlich 40 m Abstand hatte brannte nun. Zeugen berichteten von Feuerwehrmännern, die Stroh in die Scheunen hineingetragen hatten und auch Polizist Schöpfl beobachtete einen Mann, der brennendes Stroh auf einen Waldstreuhaufen warf. Zur Festnahme desjenigen kam es nicht, da die Gendarmerie von der Feuerwehr mit Hieben des Brandplatzes verwiesen wurde. Die Posse ist noch lange nicht zu Ende. Wachtmeister Höpfl berichtet weiter: Bald nach Ausbruch des Feuers sah man, dass die Feuerwehr nicht sehr bemüht war den Brand zu löschen. Das Lager stellte 60 Mann als Feuerwache ab. Von den zahlreichen Zuschauern gab es Rufe, bitte auch noch die Städel auf der anderen Straßenseite anzuzünden. Daraufhin und aufgrund steigender Gefahr für das „Publikum“ räumten die Reichswehrsoldaten und Polizisten unter großem Protest und Widerstand der Gaffer den Brandort.
Um 1:30 Uhr rückten die Soldaten ab und ließen 12 Mann und vier Lagerpolizisten zur Wache vor Ort. Die Feuerspritze war bereits außer Betrieb. Dem angetrunkenen Zustand vieler Feuerwehrmänner ist eine gewisse Ehrlichkeit zu verdanken, die offen gestanden, dass die Scheunen beseitigt werden sollten. Da ein mutwilliges Anzünden der vierten und fünften Städel durch die Soldaten und Polizei unterbunden wurde, begann die Feuerwehr ihre Taktik zu ändern und trug diese „aus Sicherheitsgründen“ ab. Derweil brannten die anderen Scheunen ab, die Motorspritze kam in den weiteren Stunden nicht mehr zum Einsatz. Da um 5 Uhr offensichtlich keine Gefahr mehr für die restlichen Gebäude bestand, wollte Wachtmeister Schöpfl den Abbruch derselbigen durch die Feuerwehrmänner unterbinden. Die Feuerwehr ließ sich von den Anweisungen nicht beirren und riss weiter Städel gegen den Willen ihrer Besitzer ab. Verstärkung aus dem Lager sollte dies verhindern. Daraufhin zeigte sich der Feuerwehr-Kommandant beleidigt und wies seine Leute an abzurücken. Den restlichen Brand löschte schließlich die Lagerfeuerwehr. Für die Besitzer der Scheunen entstand teils großer Schaden, da diese nicht versichert waren oder Brennholz, Wagenteile und Stroh verbrannten.
Der Bericht in der Eschenbacher Volkszeitung vom 28.6.1927 zum Großbrand liest sich etwas anders, als der Polizeibericht von Wachtmeister Schöpfl: „Großfeuer, 9 Scheunen abgebrannt, zum Teil noch mit Stroh und Schindeln gedeckt. Die Freiwillige Feuerwehr war sehr schnell zur Stelle. Die Brandursache ist unbekannt.“ Ein weiterer Zeitungsbericht vom 5.7.1927 lobt und verteidigt die Arbeit der Feuerwehr: […]Die Freiwillige Feuerwehr verhinderte das Übergreifen des Feuers auf den äußeren Stadtteil. Die Motorspritze habe versagt, das ist nicht richtig; sie arbeitete sehr gut: jedoch eine der Schlauchleitungen mit einer Länge von 450 Meter hielt dem Druck der Spritze nicht stand. […]
Und damit noch nicht genug. Am 23.8. vermeldet die Eschenbacher Volkszeitung: Skelettfund auf dem Brandplatz der Scheunen in einer Tiefe von 80-100 cm. Es liegt ein Verbrechen vor, das vor 10-15 Jahren passiert sei. Am Skelett ist eine eingeschlagene Schädeldecke zu erkennen. – Das Skelett lag mit dem Gesicht nach unten in 80 cm Tiefe. Eine Gerichtskommission war vor Ort.
So kam es, dass nach einer großen Brandnacht zahlreiche vermeintliche Schandflecke beseitigt waren und auch noch eine Leiche gefunden wurde. Polizei und Reichswehr konnten gegen die Grafenwöhrer Schildbürger nichts ausrichten. Diesen lag die Stadtverschönerung eben sehr am Herzen, man könnte sagen, unsere Vorfahren „brannten“ für ihre Stadt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt 😉