Für die Grafenwöhrer Einwohner sind Soldaten und Uniformen im Stadtbild seit über 110 Jahren normal. Seit die Wehrpflicht 2011 abgeschafft wurde, haben viele Deutsche nur mehr wenige direkte Berührungen mit dem Militär. Vermeintlich – denn in unserem alltäglichen Sprachgebrauch gibt es zahlreiche Redewendungen, die ihren Ursprung direkt ersichtlich oder eher indirekt versteckt im Militärischen haben. Seien Sie gespannt auf ein fiktives Grafenwöhrer Gschichterl aus Sprichwörtern militärischen Ursprungs, das in den letzten 110 Jahren so schon tausendfach auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr zwischen zwei Kameraden geführt werden hätte können. Viel Spaß!
Eine Übung mitten im Gelände „weit ab vom Schuss“, sozusagen „am Arsch der Welt“[1]. Es ist „Großkampftag“. Die Übung läuft gut, die Soldaten „haben den Bogen raus“. Das haben sie eben „von der Pike auf gelernt“[2]. Die „Luft ist rein“, schnell „ab durch die Mitte“ und „das Feuer eröffnen“. „In Deckung gehen“, nicht dass wir „in die Schusslinie geraten“. Zwei Kameraden haben kurz Zeit für ein Gespräch.
Soldat 1: „Alter Schwede[3]“, „hab ich Kohldampf[4]“.
Soldat 2: Wir müssen noch ein bisschen „bei der Stange bleiben[5]“. Aber es gibt bestimmt bald was.
Soldat 1: „Ich trau dem Frieden nicht“, das dauert bestimmt wieder ewig. Wenn es nicht bald was gibt, „gehe ich auf die Barrikaden“.
Soldat 2: Schlechte Laune heute? „Reiß dich mal am Riemen[6]“!
Soldat 1: Sorry, hab‘ auch noch Schädelweh von gestern, war „voll wie eine Haubitze[7]“.
Soldat 2: Ich „versteh nur Bahnhof[8]“. Was ist los, Stress mit deiner Freundin? Aber das hätte ich doch bestimmt mitgekriegt, würde sich ja sofort „wie ein Lauffeuer verbreiten[9]“. Sie ist ja schon `ne Hübsche und „hat Gardemaß“. Andererseits „führt“ sie ja ein ganz schön „strenges Regiment“ und du „stehst“ voll unter ihrer „Fuchtel[10]“.
Soldat 1: „Zieh“ mal nicht so „vom Leder[11]“ über meine Freundin! Ich habe es selbst verbockt und beim Fortgehen bloß mal kurz „ein Auge riskiert[12]“ und einer anderen hinterhergeschaut. Sie hat gleich „Lunte gerochen“ und mich beschimpft und ich hab „die volle geballte Ladung abbekommen“, die „volle Breitseite“, sie hat mir echt „Zunder gegeben“. Dann ist sie „auf Tauchstation gegangen[13]“ und war tagelang nicht erreichbar.
Soldat 2: Puh, das war ein ordentlicher „Schuss vor den Bug“. „Wirf die Flinte nicht ins Korn“! Du darfst „nicht lange fackeln“ und musst sie halt „aus der Reserve locken“, „bei der Stange bleiben“, „das Feld behaupten“ und mal „Stellung beziehen“. Lass dir nicht „das Wasser abgraben“!
Soldat 1: Ich habe es schon versucht mit einer Entschuldigung und einem Romantikprogramm, kein „Schema F[14]“, nix „08/15[15]“, sondern das volle Programm. Ich „hab mein ganzes Pulver verschossen“, aber das war ein totaler „Rohrkrepierer“. Ich hab „nichts mehr zu melden“. Sie hat mich „abblitzen lassen[16]“, sie ist „stur wie ein Panzer“. Da muss ich schon „schwere Geschütze auffahren“ und ordentlich „Männchen machen[17]“, ich hab Angst, dass sie mir „den Laufpass gibt[18]“ und „sich aus dem Staub macht[19]“.
Soldat 2: Ach komm, „so schnell schießen die Preußen nicht[20]“! Dann suchst du dir eben eine Neue, gehst mit einer anderen „auf Tuchfühlung[21]“ und „haust mal so richtig auf die Pauke“! „Feuer frei“, du bist doch noch „gut in Schuss“!
Soldat 1: Ach „rutsch mir doch den Buckel runter[22]“, hast du noch so einen tollen Ratschlag „auf Lager“?
Soldat 2: Was bist du denn so „geladen“, alter „Heißsporn[23]“, musst du immer gleich so „hochgehen“ und „fluchen wie ein Landsknecht“? „Blaff mich nicht so an[24]“ und „überspann den Bogen“ nicht mit deiner schlechten Laune, sonst „drehe ich den Spieß um“.
Soldat 1: „Dann zieh ich dir die Hammelbeine lang[25]“ und „blas dir den Marsch“, entgegnet der schlechtgelaunte Soldat brummig.
Zwischen den beiden herrscht minutenlang „dicke Luft[26]“.
Soldat 2: „Guck nicht so dumm aus der Wäsche[27]“, deine Freundin kriegt sich schon wieder ein und für deinen Hunger habe ich einen kleinen Happen in der Tasche, lenkt sein Kamerad ein.
Soldat 1: Das ist doch mal ein „durchschlagendes Argument“, her damit.
Soldat 2: Ich „kenn doch meine Pappenheimer[28]“, grinst sein Kamerad.
Wenn es „hart auf hart kommt[29]“ halten Soldaten eben zusammen.
Mehr Sprichwörter aus dem Militär und ausführliche Erläuterungen sind im Buch „Aufs Korn genommen – Redewendungen aus der Welt des Militärs“ von Dieter H. Neumann im Konrad Theiss Verlag zu finden.
Wer ein Sprichwort mal live und in Farbe sehen möchte, kann dies bei einem Besuch des Kultur- und Militärmuseums erleben. Hier ist ein Maschinengewehr 08/15 ausgestellt, das im Gegensatz zu seiner sprachlichen Bedeutung für das Museum etwas ganz Besonderes ist!
Fußnoten
[1] Entstanden im Zeiten Weltkrieg an der Ostfront
[2] Pike = Handwaffe von Landsknechten
[3] Ursprung nach dem 30-jährigen Krieg, als altgediente Schweden als Ausbilder, bekannt für ihren harten Drill, angeheuert wurden
[4] Ursprgl. Ausdruck aus der Gaunersprache „Rotwelsch“ für großen Hunger, später von Soldaten übernommen
[5] Die Truppenfahne zog bei einer Schlacht immer voraus, man steht also vorne an der Front treu zur Sache
[6] Für ein ordentliches Erscheinungsbild den schiefen Sitz der Koppel (Gürtel) korrigieren
[7] Anspielung an gewaltige Masse der Ladung einer Haubitze, im übertragenen Sinn die Menge Alkohol
[8] 1. Weltkrieg, aus allen Befehlen und schlechten Nachrichten wollte man nur Bahnhof als Symbol für die Heimkehr nach Hause verstehen
[9] Vor der Erfindung der Zündschnur streute man eine Spur Schwarzpulver, das „Lauffeuer“
[10] „Fuchtel“ = breiter Degen im preußischen Militär
[11] Aus Lederscheide des Schwertes ziehen, in Kampfmodus schalten
[12] Das Augenvisier öffnen, um besser sehen zu können
[13] Von U-Booten im 1. Weltkrieg
[14] Ursprung vom preußischen Dienstformular „Frontrapport“, das für alle Vorgänge immer gleich ausgefüllt werden musste
[15] Maschinengewehr Typ 08/15, der gängige, nicht besondere Standard im 1. Weltkrieg
[16] Wenn bei Vorderlader-Gewehren der Schuss nicht los ging und das Pulver mit hellem Blitz von der Pfanne abbrannte
[17] Verächtlicher Ausdruck für das Strammstehen von Soldaten
[18] ursprünglich (ehrenhafte) Entlassung aus dem Militärdienst
[19] Vom staubigen Kampffeld entfernen
[20] Irrtümlich oft Bismarck zugeschrieben, jedoch schon beim preuß. Soldatenkönig Friedrich Wilhelm in Gebrauch, der seine Männer nicht unnötig in Krieg verwickeln wollte.
[21] Vom Anfang des 20. Jahrhunderts: In der Grundaufstellung der Soldaten berühren sich deren Ellenbogen
[22] Mittige Wölbung im Kampfschild; besiegte Gegner rutschten an dem „Buckel“ am Schild entlang hinunter
[23] Sporen eines rücksichtslosen Reiters
[24] Blaff = lautmalerisch für Zurechtweisung des militärischen Vorgesetzten
[25] Drastische Körperstreckung als übertragenes Bildnis der Zurechtweisung eines Vorgesetzten
[26] Pulverdampf und Qualm auf dem Schlachtfeld
[27] Im 2. Weltkrieg gab es Soldaten, die sich um die Wäsche aller kümmern mussten, ausgesucht wurden nicht die Intelligentesten
[28] Aus Schillers Drama Wallensteins Tod: Wallenstein lobt die Grafen von Pappenheim für ihre Treue, erst später wurde der Ausdruck ironisch
[29] Wenn Schwertklingen aufeinander treffen