Kriegszeiten treiben die Entwicklung von Waffen voran, so auch im Zweiten Weltkrieg. So manche „Wunderwaffen“ erlangten Bekanntheit, beispielsweise die „Dicke Bertha“ im Ersten Weltkrieg. Am Rande des Truppenübungsplatzes gab es im Zweiten Weltkrieg für kurze Zeit ebenfalls ein damals berühmt berüchtigtes Geschütz, die „Dora“.
1937 wurden auf Befehl von Adolf Hitler in der Waffenschmiede Krupp in Essen zwei identische Eisenbahngeschütze gebaut, die an Leistung und Ausmaßen eine völlig neue Dimension annahmen. Getauft wurden sie auf den Namen „Gustav 1 und 2“. Bei der Übergabezeremonie wurde das erste Modell in „Dora“ umbenannt. Die Ausmaße waren gigantisch. 1.350 Tonnen schwer, 32 Meter lang, das Kaliber 80 cm, über 40 Kilometer Reichweite, bis zu 30 Meter tiefe Krater. Eine perfekte Waffe also, um den Gegner zu vernichten. Oder doch nicht? Das Monstergeschütz brauchte zwei Gleise, über 4.000 Pioniere mussten die Kanone zusammenbauen, zur Bedienung waren weitere 1.500 Soldaten nötig. Es dauerte drei Tage, um das Geschütz in Stellung zu bringen, zudem war das Rohr nicht schwenkbar. Wollte man seine Schießrichtung ändern, musste das Doppelgleis entsprechend in die andere Richtung gebaut werden. Dora gab insgesamt nur 48 Schuss ab, dann war der Lauf unbrauchbar geworden. Das Monstergeschütz war zwar eine technische Meisterleistung, furchteinflößend und schien nach außen eine „Wunderwaffe“ zu sein, in der Handhabung aber war sie alles andere als praktisch. Sie war mehr eine psychologisch einschüchternde Waffe, die den Wahnwitz der Nazis verkörperte. So verwundert es nicht, dass die Kanone Dora nur einmal im Juni 1942 bei der Belagerung von Sewastopol auf der Krim zum Einsatz kam und schließlich nach Rügenwalde gebracht wurde. Im September 1943 verlegte man sie nach Auerswalde bei Chemnitz, wo im Februar 1945 auch Gustav 2, der nie im Einsatz war, schon lagerte.
Gestrandet am Truppenübungsplatz Grafenwöhr
Aufgrund der immer näher rückenden Front wurde Gustav 2 Anfang April 1945 an den nördlichen Rand des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr verlegt. Dort stand das Geschütz auf dem Bahngleis der Lokalbahnlinie Kirchenthumbach-Eschenbach bei Metzenhof, nahe dem Hammerweiher und der Metzenmühle. Zeitzeugenberichte finden sich in Veröffentlichungen des Kulturkreises Kirchenthumbach und in alten Zeitungsartikeln. Josef Stock, damals Müllermeister in der Metzenmühle erinnert sich, dass die Wehrmacht in einer Nacht- und Nebelaktion das Geschütz nur rund 250 Meter von der Metzenmühle abgestellt hat. Etwa 40 Soldaten bewachten die Kanone rund um die Uhr, sie kamen öfter zum Kaffeetrinken in die Mühle.
Am 19. April – die Amerikaner waren nicht mehr weit – kam die Warnung an die Bevölkerung, dass das Geschütz in wenigen Stunden gesprengt werde.
Hitler hatte dafür den Befehl gegeben, damit es nicht funktionsfähig in Feindeshand geriete. Gegen 13.30 Uhr detonierte die Kanone mit einem gewaltigen Knall, den man in Weiden und Bayreuth noch hörte. Bis zu 3 Kilometer flogen zentnerschwere Eisenbrocken durch die Luft, es gab mehrere Nachexplosionen, der Wald brannte noch acht Tage lang. Nach dem Einmarsch der Amerikaner wurde das gesprengte Geschütz zum beliebten Fotomotiv bei G.I.s und Zivilisten. Alle wollten ein Foto auf dem Kanonenrohr sitzend von sich haben.
Auch General Patton, Kommandeur der amerikanischen Befreiungsarmee, ließ sich im Sommer 1945 die berühmte Kanone zeigen und nahm die Krupp-Plakette als Souvenir mit, festgehalten in einem Filmdokument. Die Geschützruine wurde erst fünf Jahre nach ihrer Sprengung von einem Demontagetrupp mit überdimensionalen Schweißbrennern abgebaut und verschrottet, die Bahn hatte bis dahin eine Umleitung um die Dora gebaut. Lange Zeit war nicht klar, ob das Geschütz Dora oder Gustav am Rand des nördlichen Truppenübungsplatzes gesprengt wurde. Im Volksmund wurde immer von Dora gesprochen, diese hatte wegen ihres Einsatzes auf der Krim größere Bekanntheit. Mittlerweile sind sich Fachleute aber sicher, dass das „unbenutzte“ Geschoss Gustav hier vernichtet wurde, dennoch wird aus Gewohnheit weiterhin von „Dora“ gesprochen. Noch jahrelang fanden Landwirte schwere Eisenbrocken des Geschützes auf ihren Feldern. Ein besonderer Fund war ein rund 1,5 Tonnen schwerer Teil des Rohres. Es ist zusammen mit dem Film von Patton sowie einem Modell der Dora im Maßstab 1:35, nachgebaut von der Firma Seemann aus Kirchenthumbach, im Kultur- und Militärmuseum ausgestellt. Besucher können sich hier nach dem Motto „mehr Schein als Sein“ ein Bild von der einst als „Wunderwaffe“ gepriesenen Dora machen und ihre letzten Reste bestaunen.