Der Anfang des Jahres verstorbene Monsignore Karl Wohlgut hinterließ seiner Heimatstadt Grafenwöhr neben historischen Geschichten auch unterhaltsame Anekdoten unter anderem aus seiner Kindheit nach dem Krieg. Das zerbombte Grafenwöhr war für die Kinder damals ein riesiger Abenteuerspielplatz. Was es in den Ruinen zu entdecken gab, davon erzählten sie sich in der Schule und nachmittags ging es gleich zum „Auskundschaften“. Die Amerikaner warfen großzügig viele Dinge weg. Heiß begehrt waren die leeren Benzinkanister, die zur Ausstattung ihrer Fahrzeuge gehörten. Aus vier solcher Kanister bauten sich die Kinder ein Floß. Den nötigen Telefondraht lieferte die Besatzungsmacht gleich mit. Einige Bretter und Nägel fand man überall in den Ruinen. Mit langen Stangen sind die Abenteurer auf dem Stadtweiher rumgepaddelt. Kam ihnen ein zweites Boot in die Quere, kam es zu einer heftigen Wasserschlacht. Kein Kleidungsstück blieb trocken und so mancher nahm ungewollt ein Bad im Weiher.
Neben dem Wasser waren die zerbombten Gebäude beliebter Spielplatz. Das große Kaufhaus Oertel war ein Trümmerhaufen, nicht ungefährlich wegen möglicher versteckter Blindgänger, bedrohlich auch die schiefen Mauern und losen Ziegel. Ein flaues Gefühl beschlich die Lausbuben schon, wenn sie in den Trümmern nach Brauchbarem suchten. Die braunen unappetitlichen Klumpen geschmolzener Bonbons schmeckten ihnen inzwischen nicht mehr. Interessanter war da schon der Fund einer noch gefüllten Zigarrenkiste. Dieser Versuchung konnten sie nicht widerstehen!
Mit den Jungs aus der Nachbarschaft an der Deyerling-Kreuzung und der gleichaltrigen Gunda stellten sie aus irgendwelchen Planen und Decken eine Art Zelt auf und zündeten als „Schutzmaßnahme“ davor ein kleines Feuer an und krochen wie die Indianer in den Unterschlupf. Das Entzünden einer Zigarre war schwieriger als gedacht und sie wussten nicht, ob sie hineinblasen oder anziehen sollten. Bis die Stumpen brannten, war das ganze Zelt bereits voller Rauch und Qualm. Eine noch nie gekannte Übelkeit überkam sie und dabei hatten sie angenommen, dass der Rauch einer Zigarre ein besonderer Genuss wäre.
Das waren noch echte Abenteuer! Heute spielen sich diese eher virtuell im Netz ab. Aber so hat eben jede Generation ihre Besonderheiten. Und man bedenke – ohne Internet würde uns die Corona-Krise noch viel härter treffen.
Schmökertipp! Viele Anekdoten und Geschichten gibt es zum Nachlesen in der Stadtchronik, die in Buchform oder als DVD im Kultur- und Militärmuseum erhältlich sind.