Als 1910 der Truppenübungsplatz in Grafenwöhr errichtet wurde, sollten alle Baumaßnahmen durch Fotografien dokumentiert werden. Dazu berief die königlich-bayerische Armee den Militär-Fotografen Hans Spahn aus Hammelburg nach Grafenwöhr. Mit seiner Fotoanstalt hatte man ihn im Nebengebäude des Militärgasthofs einquartiert und seine Aufgabe war es, neben Szenen vom Bau des Lagers auch Soldaten in Gruppen und Einzelportraits auf Glasplatten festzuhalten.
Hans Spahn, 1881 geboren, ließ an der Grenze zum Übungsplatz, heute Lagerwache 1 in der Alten Amberger Straße, sein eigenes Fotoatelier erbauen, welches er im April 1911 eröffnete, so beschreibt es Gerald Morgenstern in seinem Buch „Truppenübungsplatz Grafenwöhr, Gestern – Heute“. Da nur Naturlichtaufnahmen gemacht werden konnten, waren die Studios rundum verglast und zählten zu den modernsten der Region. Um in den Sommermonaten die vom Militär geforderten Aufnahmen liefern zu können, beschäftigte Hans Spahn Fotografen aus Polen. Alle bekannten Bilder aus der Gründerzeit und der Geschichte des Truppenübungsplatzes stammen von Fotomeister Spahn. In Besitz einer Kamera war zu damaligen Zeit nur noch der königliche Baurat Wilhelm Kemmler, er hielt ebenso Szenen vom Bau des Lagers fest.
Neben dem Fotoatelier baute der Bruder des Fotografen, das „Café Spahn“ mit Weinhandlung, welches bei der Bombardierung im April 1945 vollständig abbrannte. Auch das Fotoatelier wurde getroffen und viele archivierte Glasplatten gingen verloren oder die Amerikaner beschlagnahmten diese, ebenso die Fotoapparate, denn im Zuge der Entnazifizierung suchte man nach Aufnahmen von Parteigrößen des Dritten Reiches. Erich Spahn, geboren 1914, der im Elternhaus das Fotografenhandwerk erlernte, war während des Zweiten Weltkrieges bei der Luftwaffe als Fotograf eingesetzt und kehrte nach dem Krieg zu Fuß nach Grafenwöhr zurück. Er besorgte sich eine Kamera und fotografierte verbotenerweise die Ausmaße der Zerstörung durch die Bombardierung im Hauptlager für die Nachwelt. Mehrmals nahm ihn die Militärpolizei deshalb fest.
Erst mit Einzug der Bundeswehr erhielt die Familie Spahn 1957 durch Kommandant Major Werner von Detten den offiziellen Auftrag, wieder auf dem Übungsplatz zu fotografieren. Viele Amerikaner kamen als Kunden dazu und alle offiziellen Empfänge und Feierlichkeiten wurden für die Nachwelt festgehalten. Ebenso war Erich Spahn in Grafenwöhr bei allen wichtigen Ereignissen als „Haus- und Hoffotograf“ unterwegs.
Noch immer gibt es unzählige Aufnahmen der Stadt und des Truppenübungsplatzes, die später von der Familie an den Heimatverein übergeben wurden. Fotograf Alexander Kneidl hatte das Handwerk bei Erich Spahn erlernt und übernahm 1996 das Geschäft. Nach über 100 Jahren Betrieb, wurde das Fotoatelier 2014 in der Alten Amberger Straße geschlossen. Heute befindet sich eine Schneiderei in den Räumen, in der unter anderem Effekte und Dienstgradabzeichen für Uniformen genäht werden.
Im großen Garten des Anwesens steht eine Kapelle und ein Gedenkkreuz. Die Kapelle erbaute während des Ersten Weltkrieges ein russischer Kriegsgefangener (Architekt) als Andenken an die Schwiegereltern von Hans Spahn, Familie Schwab. Die Spahns haben während der Kriege in ihrer Kapelle viel gebetet. Das Gedenkkreuz wurde für Ottmar Spahn errichtet, den Bruder von Erich und Josef, der 1941 in Kiew gefallen ist.
Erich Spahn verstarb 2002 88-jährig, seine Frau Edith ist 94 Jahre alt und wohnt noch immer in ihrem Haus. Ihr Lieblingsplatz ist das Erkerzimmer mit Blick auf die Kirche, Straße und die Wache I, auch ihr Mann schätzte den Ausblick, denn er schoss von hier aus Fotos vom Lagereingang. Ihre beiden Kinder Gabi und Erich kümmern sich um sie. Erich Junior setzt die Fotografentradition der Familie Spahn fort, er betreibt eine Industrie- und Werbefotografie in Amberg.
Erhalten sind neben den Fotos auch Postkarten, die von der Familie Spahn hergestellt wurden. Sie zeigen die markanten Gebäude des Truppenübungsplatzes, allen voran den Wasserturm, das Wahrzeichen der Stadt. Unzählige Postkarten wurden vom Truppenübungsplatz aus in die ganze Welt verschickt, so dass Erinnerungen an Grafenwöhr weltweit an Wänden hängen oder in Schubladen schlummern, die meisten mit Fotos aus der „Schatzkammer“ des Ateliers Spahn.