Grafenwöhr begeht seit fast 300 Jahren einen Gelübdefeiertag gegen Krankheiten.
Seit Menschengedenken gibt es Epidemien, die ganze Völker dahinrafften. Man konnte sich die Seuchen nicht erklären, Virologen und Sondersendungen gab es damals noch nicht. In den Jahren 1729 und 1730 grassierte in der Stadt Grafenwöhr eine Seuche, die zahlreiche Tote forderte. Die Sterbematrikel geben Auskunft, dass mehr als doppelt so viele Grafenwöhrer als sonst starben. Welche Krankheit es genau war, ist nicht bekannt, die Pest war es aber nicht. Überliefert ist, dass es eine ansteckende hitzigartige Krankheit war, in der Art von Typhus. Damals gab es eine erste Welle im Frühjahr, schließlich eine im Herbst und nochmals im Frühjahr 1730. Da Grafenwöhr auszusterben drohte, bekamen es die Bewohner mit der Angst zu tun und sie suchten einen Weg der Seuche Herr zu werden. Man erinnerte sich an den Pestheiligen St. Sebastian, der rund hundert Jahre früher im Dreißigjährigen Krieg allerorts verehrt wurde. In ihrer Not versprachen die Grafenwöhrer dem Pestheiligen, alljährlich an seinem Namenstag, dem 20. Januar Feiertag zu halten und zu beten, um so vor weiteren Seuchen verschont zu bleiben. Der Ablauf des Tages und die Teilnehmer sind in einer Korrespondenz zwischen dem Pfarrer und dem Stadtrat erhalten. Der Pfarrer hatte vorgeschlagen, neben Sebastian auch gleich noch die Mutter Anna und St. Florian miteinzuschließen. Der Rat aber bestand auf einen eigenen Feiertag zu Ehren Sankt Sebastians. Und so einigte man sich darauf vormittags ein Lobamt mit der Bürgerschaft samt ihren Frauen abzuhalten, nachmittags eine Vesper oder Litanei.
Bis heute wird die Tradition des Sebastianstages gepflegt. Grafenwöhr verfügt damit über einen zusätzlichen eigenen Feiertag. Örtliche Geschäfte und Behörden bleiben geschlossen und Vereine, Bevölkerung und Honoratioren ziehen zur Erneuerung des Versprechens mit einem Kirchenzug mit Blasmusik zum Gottesdienst in die Alte Pfarrkirche „Mariä-Himmelfahrt“. Dort gibt es einen Sebastiansaltar. Zur Zeit der Einführung des Feiertags wurde die Wiedereinrichtung des Kircheninneren nach einer Plünderung durch dänische Truppen rund dreißig Jahre vorher gerade abgeschlossen und man hatte schon 1718 einen Altar für den Hl. Sebastian installiert. Auf diesem wird zur Feier des Tages eine gestiftete Sebastianskerze angezündet.
Sebastianstag und Sebastiansaltar, der Pfarrer der beides 1731 veranlasste hieß übrigens – wen wundert’s – Sebastian Raith. Nach dem Gottesdienst schließt sich ein weltlicher Teil an. Die Teilnehmer treffen sich am Marktplatz, auf dem seit 1982 die „Pestsäule“ steht und man isst Sebastianspfeile, ein spezielles Hefegebäck, das auf den Tod des Heiligen durch Pfeilspitzen hinweist. Als Abschluss geht es in die alteingesessenen Wirtshäuser zum Frühschoppen.
Ein Zufall ist, dass die Grafenwöhrer mit der Verehrung von St. Sebastian, einem römischen Soldaten, schon fast zweihundert Jahre vor Gründung des Truppenübungsplatzes einen passenden Ortsheiligen für ihre heutige Soldatenstadt auserkoren haben. Neben der Sebastiansfigur am rechten Seitenaltar der Alten Pfarrkirche, findet man eine zweite original Sebastiansstatue, die früher im Eingangsbereich der Kirche stand, heute im Kultur- und Militärmuseum Grafenwöhr ausgestellt.