Den ältesten Quellen nach, die über das geistliche Leben in Grafenwöhr vorliegen, gehörte Grafenwöhr von Anbeginn kirchlich zum Klosterstift Speinshart. Das Kloster erhob den Zehnten sowohl von der Stadt als auch von den Dörfern Gößenreuth und Gmünd. Der Zehnte war eine Steuer Form von Geld oder Naturalien, die an eine geistliche oder weltliche Institution entrichtet werden musste.
Die Stadt Grafenwöhr wurde 1361 von den Leuchtenbergern gegründet. Erst am 27. April 1424 gab Papst Martin V. dem Bischof von Regensburg die Vollmacht, Grafenwöhr zur Pfarrei zu erheben. Landgraf Johann von Leuchtenberg hatte noch das Ansuchen gestellt, aber als sein Wunsch in Erfüllung ging, war Grafenwöhr bereits 1422 an die Kurpfalz gefallen. Einen eigenen Pfarrer hatte Grafenwöhr zu dieser Zeit noch nicht. Die Urkunde für die Erhebung zur Pfarrei wurde Petrus, Mönch des Klosters Speinshart, überreicht. Es kamen, wie bereits vor der Erhebung zur Pfarrei, weiterhin ein Priester oder Kaplan aus Eschenbach, um Gottesdienste abzuhalten. Den Zehnten bekam nach wie vor das Kloster Speinshart. Für 1438 war ein sogenannter „Frühmesser“ in Grafenwöhr, ein Mönch aus Speinshart, der dem Pfarrer in Eschenbach unterstellt war. Wann die endgültige Trennung Grafenwöhrs in kirchlicher Beziehung von Eschenbach erfolgte und ab wann ein eigenständiger Pfarrer tätig war, kann nicht festgestellt werden. Belegt ist, dass es 1508 noch keinen festen Geistlichen gab.
Von 1539 bis 1625 waren protestantische Pfarrer für das Glaubensleben in Grafenwöhr zuständig. Der Abt von Speinshart war zum Protestantismus übergetreten und wollte die Messe von einem Laien, seinem Bruder, lesen lassen. Die Räte von Grafenwöhr wehrten sich dagegen und verlangten, dass ein „ehrlicher“ Pfarrer für die Pfarrei Grafenwöhr besetzt wird. Somit kam 1539 – 1551 als Pfarrer der Protestant Sebastian Weingartner in die Stadt. Die Einkünfte der Frühmessstiftung durften nur für weltliche Zwecke verwendet werden und gingen an die Schule.
Unter dem bayerischen Kurfürst Maximilian I. wurde der Ort 1626 wieder katholisch. Am 7. Februar dieses Jahres wurde nach langer Unterbrechung der erste katholische Gottesdienst gefeiert. Die Menschen haben den Katholizismus rasch angenommen. Der Dreißigjährige Krieg und auch die Pest machten aus Grafenwöhr eine Ortschaft mit völlig verarmten Einwohnern. Viele Häuser standen leer und die ständig wechselnden Pfarrer, die von der Bevölkerung bezahlt wurden, litten unter diesen schwierigen Lebensbedingungen.
Ebenso waren die beiden darauffolgenden Jahrhunderte schwere Zeiten für die Stadt. Nach vielen Plünderungen und Brandschatzungen durch kriegerische Truppen während des 18. Jahrhunderts, erlitt Grafenwöhr im 19. Jahrhundert viel Leid durch große Brände, die immer wieder Teile der Vor- und Altstadt zerstörten. Ende des 19. Jahrhunderts hatte Grafenwöhr noch 927 Einwohner, die meisten waren Katholiken. Es gab nur zwei evangelisch-lutherische Christen und ein Mitglied des jüdischen Glaubens.
20. Jahrhundert – Eine Stadt verändert sich
Mit der Errichtung des Truppenübungsplatzes 1910 kam es zu einem enormen Zuzug von Arbeitern, Geschäftsleuten und Gastarbeitern. Dies bewirkte eine Verdoppelung der Einwohnerzahl von 961 im Jahr 1909 auf 1841 Einwohner im Jahr 1910. Von da an veränderte sich der Anteil der evangelisch-lutherischen Christen in Grafenwöhr. Der erste evangelische Gottesdienst in Grafenwöhr wurde am 17. April 1909 in einem Raum der Munitionsanstalt des Lagers mit einem Wanderaltar gefeiert. Während des Ersten Weltkrieges nutzte man sogar eine Reithalle im Truppenübungsplatz für katholische und evangelische Gottesdienste, da viele Gefangene und Soldaten auf dem Truppenübungsplatz untergebracht waren. Am 9. September 1923 wurde schließlich nach langer Planung die evangelische Michaelskirche neben der Wache 1 eingeweiht.
Obwohl die evangelische und katholische Gemeinde in Grafenwöhr jeweils eigenständig ist und ihr gottesdienstliches Leben in Anlehnung der eigenen Tradition pflegen, gibt es durch gelebte Ökumene ein lebendiges Miteinander.