Nach langem Hin und Her fiel 1904 die Standortwahl für den dritten Truppenübungsplatz im Königreich Bayern auf Grafenwöhr. Die Umsetzung eines solch großen Bauprojektes lockte Heerscharen an Erd- und Rodungsarbeitern und Handwerkern nach Grafenwöhr – auch Gastarbeiter aus dem Ausland. Der Truppenübungsplatz brachte also schon von Anbeginn an internationales Flair in die Oberpfälzer Kleinstadt.Die Stadtverwaltung Grafenwöhr freute sich über den Zuschlag zum Bau des Truppenübungsplatzes vor Ort. Als am 20.3.1908 schließlich offiziell die Bezeichnung „Truppenübungsplatz Grafenwöhr“ genehmigt wurde, schrieb Bürgermeister Meiler einen Dankesbrief nach München für die Benennung nach der Stadt. Handwerker, Gastronomen, Geschäftsleute, alle ließen sich in Grafenwöhr nieder, weil sie hier auf zahlreiche Kundschaft hofften. So kam es, dass sich die Einwohnerzahl von Grafenwöhr innerhalb eines Jahres von 941 im Jahr 1909 auf 1841 im Jahr 1910 verdoppelte.
Die hohe Anzahl an Arbeitern von weiter her, kann man an alten Krankenversicherungslisten nachverfolgen. Im April 1910 herrschte Beschäftigungshochstand mit 1692 Arbeitern. Die tatsächliche Beschäftigungszahl, inklusive nicht Angemeldeter, dürfte aber viel höher gewesen sein. Allerdings war die Fluktuation relativ hoch. Dabei gab es bei den Beschäftigten einen beträchtlichen Ausländeranteil. Am Bau arbeiteten Österreicher, Polen und Italiener. In Grafenwöhr schloss man also dank des Truppenübungsplatzes schon weit vor den amerikanischen Soldaten 1945 Bekanntschaft mit anderen Nationalitäten und deren Gepflogenheiten. Beispielsweise auch im Ersten Weltkrieg mit den französischen und russischen Kriegsgefangenen oder im Zweiten Weltkrieg mit der Spanischen Division.
Beim Bau des Lagers musste das kleine Städtchen Grafenwöhr, das im Gegensatz zum Lager noch keinen Strom und fließend Wasser hatte, einiges aushalten und Herausforderungen meistern. Die Einwohnerzahlen hatten sich kurzerhand verdoppelt, neue Geschäfte und Lokale sprossen aus dem Boden, hunderte Bauarbeiter und die Gastarbeiter aus dem Ausland suchten Essen und Wohnraum. Diese hausten jedoch in schlechten Verhältnissen, sie blieben weitgehend sich selbst überlassen, da die Stadtverwaltung den Problemen hilflos gegenüber stand. Bereits 1909 gab es Zeitungsberichte zu den menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsverhältnissen. Es gab zu wenige, zu schlechte und zu teure Wohnungen. Die Löhne der Arbeiter waren miserabel, die Lebensmittelpreise überteuert. Es mangelte an Krankenfürsorge für so viele Menschen. Weiterhin war bekannt, dass Bau-Schutzvorschriften von den Unternehmen nicht beachtet und zudem ausländische Arbeiter bevorzugt wurden. Kein Wunder, dass es zu zahlreichen Schlägereien unter den Bauarbeitern kam.
Der Bauboom kam den Grafenwöhrer Geschäftsleuten und Vermietern zugute, die dies auszunutzen wussten. Diese wurden deshalb vom Eschenbacher Bezirksamtmann immer wieder zu korrekterer Preisgestaltung ermahnt. Trotz aller Herausforderungen, die Stadt wuchs am und mit dem Truppenübungsplatz.
Die Arbeiter schlossen sich bald in Verbänden zusammen. Der sozialdemokratisch orientierte Bauarbeiterverband hielt 1909 und 1910 viele Versammlungen mit seinen rund 150 Mitgliedern ab. 300, die doppelte Mitgliederzahl, konnte der christliche Hilfs- und Transportarbeiterverband aufweisen. Zahlreiche Protokolle und Zeitungsberichte der Arbeiterverbände sind überliefert. Mal streikten die Forstarbeiter, mal forderten die Maurer oder Zimmerer einen höheren Lohn. Letztendlich erstritt man sich mühsam wenige Verbesserungen. Doch der Truppenübungsplatz blieb schon beim Bau Arbeitgeber Nummer eins weit und breit.
Zwischen 1909 bis 1915 wurden insgesamt 250 Gebäude für 8,9 Millionen Mark gebaut. Die Pläne aller Gebäude sind fast vollständig im Kultur- und Militärmuseum erhalten. Alte Fotos zeigen, dass das meiste noch Handarbeit war. Deshalb konnten beispielweise vor den Häusern die Bäume stehen bleiben, was heute mit großem Maschineneinsatz undenkbar wäre. Weiterhin sind auf den alten Aufnahmen kleine Schienensysteme zu sehen, auf denen die Arbeiter Loren als Transportmittel für Material nutzten.
Gemanagt wurde die Großbaustelle ab Mai 1909 von Baurat Wilhelm Kemmler, 1913, als dieser versetzt wurde, übernahm Architekt Sievers sein Amt. Das Lager, wie es im Volksmund bis heute genannt wird, sollte Garnisonsstandort werden und bekam 1908 bei Baubeginn die Garnisonsverwaltung. Alle Bauten wurden entlang der ehemaligen Straße nach Amberg, die seit der Sperrung Alte Amberger Straße heißt und als Hauptachse fungiert, errichtet. Wichtige Bauten standen an den Lagereingängen, wie z.B. die Kommandantur, die Wache, das Forsthaus, das Lazarett oder das Militärgasthaus. Die Außenanlagen waren begrünt und ansprechend gestaltet. Es gab zu Ehren des Prinzregenten den Luitpoldpark mit einem Musikpavillon.
Im Mai 1910 wurde Oskar Menzel erster Kommandant am Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Am 30. Juni 1910 wurde der Platz mit einem ersten Artillerie-Schuss offiziell eröffnet. Es wurde aber weiterhin gebaut und das Lager 1915, nach insgesamt achtjähriger Bauzeit, fertiggestellt.
Zahlreiche Bauten in der Kaserne sind der Bombardierung im April 1945 zum Opfer gefallen. Der Wasserturm hat die Bomben jedoch überlebt und ist heute noch das Wahrzeichen von Grafenwöhr und dem Truppenübungsplatz.
Bei der Fertigstellung des Truppenübungsplatzes war dieser der moderneste und am besten ausgestattete im ganzen Deutschen Reich. Und auch heute kann dies der Platz von sich behaupten. Er ist der modernste und am besten ausgestattete Übungsplatz der US-Army in Europa und in der ganzen Welt bekannt. Wer hätte das vor über 100 Jahren beim Bau gedacht?