Im 14. Jahrhundert nahm das Städtewesen in Deutschland einen gewaltigen Aufschwung. Das städtische Gemeindewesen glich wohlgeordneten kleinen Staatswesen, kleinen Republiken.
Die Ratswahlen fanden in früher Zeit jährlich statt. Vor der Wahl legten die Bürgermeister Siegel, Siegelpresse, Rathaus- und Gotteshausschlüssel auf den Tisch und verließen den Saal. In der Regel übernahm der Pfleger die Wahl. Zu Beginn wurde ein Beschwerdeprotokoll des vergangenen Jahres erstellt. Das wurde dann den scheidenden Bürgermeistern und Räten vorgelegt und sie mussten dazu Stellung beziehen. Einmal im Jahr sozusagen. – In Zeiten von Social Media geht es heute leider oft viel zu schnell, Kritik und Beschwerden an die Öffentlichkeit zu bringen.
Im ersten Wahlgang wurden vier neue Bürgermeister gewählt, in zwei weiteren die Mitglieder des inneren und äußeren Rates und schließlich die Viertelmeister. Die Viertelmeister waren vermutlich die Sprecher der vier Stadtteile. Die Wähler, ausschließlich männliche Haus- und Grundbesitzer, mussten mündlich ihre Stimme abgeben. Frauen und Besitzlose hatten keine Stimme. – Hätten sie doch damals schon gewusst, dass unser Land eines Tages von einer Frau regiert wird.
Von den vier Bürgermeistern führte immer einer für ein viertel Jahr die Amtsgeschäfte, das sogenannte Quartalamt. Für dieses viertel Jahr trug der Amtsinhaber den stolzen Titel „regierender Bürgermeister“. Danach übergab er alle Schlüssel und Siegel an seinen Nachfolger. – Da gibt es heutzutage zum Glück mehr Beständigkeit. Über viele Amtsperioden werden die Grafenwöhrer Bürgermeister von den Bürgern bestätigt.
Der gewählte Rat teilte unter sich unzählige Ämter und Verantwortlichkeiten auf. Wer würde im heutigen Stadtrat welchen Posten übernehmen? Streiten würde man sich mit Sicherheit um das Amt des Brauhausverwalters. Wund- und Fleischbeschauer sowie Bachausräumer und Zinseintreiber wäre dann eher was für die Hartgesottenen unserer Zeit. Beliebte Ämter waren bestimmt auch Feuerschauer, Kerzenaufzieher, Gerichtsschöffe, Siegel- und Waldherr oder Fischmeister. Es gab Brot- und Malzbeschauer und den Fastenspeisbeschauer. Dieser hatte wohl nur vierzig Tage vor Ostern Dienst. Musste er jeder Familie in den Kochtopf gucken?
Die Besoldung des Rates war übrigens auch nicht schlecht, es gab neben Geld auch ein paar Klafter Holz für jedes Ratsmitglied.
Außerdem beanspruchten sie eine besondere Ehrerbietung und Achtung ihrer Mitbürger. Sie führten den Titel „Herr“ und ihre Gattinnen den Titel „Frau“. Die übrigen Bürger mussten sich mit dem einfachen Namen begnügen. Unterstand sich ein Bürger, den Bürgermeister mit „du“ anzusprechen, erhielt er eine Geldstrafe. Auch wenn der Umgangston heute vertraulicher ist, so begrüßen wir dennoch standesgemäß unsere neu gewählten „Frauen Stadträtinnen“ und „Herren Stadträte“ sowie den „Herrn Ersten Bürgermeister“ herzlich im Magistrat und wünschen viel Erfolg für die nächsten sechs Jahre beim Wirken zum Wohle der Stadt Grafenwöhr.