Seelsorger, Hüter seiner Schäflein und andere Bilder hat man über einen Pfarrer im Kopf. Dass der Beruf früher große Anstrengungen mit sich brachte, mitunter gefährlich sein kann und auch Pfarrer „nur Menschen“ sind, zeigt ein Grafenwöhrer G’schichterl des Kultur- und Militärmuseums mit Anekdoten aus der Chronik von Lehrer Schenkl. Früher mussten Pfarrer bei der Kirchengemeinde und dem Rat zum „Bewerbungsgespräch“ antreten. Diese lauschten der Predigt des Bewerbers und entschieden dann über dessen Einstellung. Pfarrer Kaspar Michel aus Bayreuth hatte Anfang des 17. Jahrhunderts das Glück, dass seine Probepredigt vor versammelter Gemeinde großen Anklang fand. Im Ratsbericht wurde festgehalten, dass er eine gelehrte Person sei, die das Wort Gottes unverfälscht und treulich vorgetragen habe und an dem die Grafenwöhrer Gefallen gefunden hatten.
Eine Ruine und ein Haustrünklein
Hätte er gewusst, in welche Ruine er einziehen musste, hätte er sich wahrscheinlich gar nicht beworben. Die Pfarrer wohnten im „Alten Pfarrhof“ in der heutigen Alte Pfarrgasse. Bis vor wenigen Jahrzehnten zierte das Gebäude eine Tafel mit den Zahlen 1529, der Kern des Hauses ist aber mittelalterlich. Schon im 16. Jahrhundert beklagten sich ausnahmslos alle Pfarrer über den schlechten Zustand des Hauses, Kostenvoranschläge von Handwerkern liegen zuhauf im Pfarrarchiv, doch meistens konnten die Reparaturen aus Geldmangel nicht getätigt werden. Das Kloster Speinshart trug die Baulast und forderte dafür Fron- und Schardienste von den Grafenwöhrern, doch diese verweigerten sich. Auch Pfarrer konnten mit ihrem mageren Einkommen keine Reparaturen bestreiten, der Lohn kam vom Kloster Speinshart, zudem stand ihnen der Zehent, also ein Teil der Getreideernte, aus Grafenwöhr, Gössenreuth und Gmünd und ein paar Groschen aus einer Messstiftung zu. Ein Stückchen Land und ein paar Klafter Holz gehörten lange Zeit ebenso zum Lohn eines Geistlichen. Dennoch beklagte sich ein Pfarrer über sein niedriges Einkommen. Er bat um Gerste aus dem Klosterkasten in Speinshart. Seine Felder seien zu sandig und er brauche zu seines Leibes Wohlfahrt und Gesundheit ein stetes „Haustrünklein“. Also auf gut Deutsch „Bier her, Bier her oder ich fall um!“
Ein großes Problem blieb der Pfarrhof, er muss in einem jämmerlichen Zustand gewesen sein und wurde laut Kirchenrechnungen immer wieder nur notdürftig repariert.
Sieben Kinder und ein armer Tropf
Später im 30-jährigen Krieg kämpften im ganzen Land Protestanten gegen Katholiken. Grafenwöhr war zu dieser Zeit mal wieder calvinistisch und die Stadt und Pfarrer Merz wurden vollständig ausgeplündert, so dass er nichts mehr sein eigen nannte, als sein Weib und sieben kleine Kinder. Drei Jahre war er fast ohne jedes Einkommen. Das eine Jahr wurde hier nichts angesät, so dass er ohne Zehnt war. Das andere Jahr plünderten erneut durchziehende Kriegsvölker. Das dritte Jahr ist ihm alles verbrannt. Bei der Gegenreformation kam es noch schlimmer. Grafenwöhr wurde wieder katholisch, doch Pfarrer Merz konnte seinen Glauben nicht verleugnen und reagierte mit Ungehorsam und allerhand Streichen. Der resolute Pfleger war ihm als Gegner ebenbürtig, beide schenkten sich nichts und so kam es, dass der Pfarrer –heute würde man sagen wegen Mobbings – mitsamt seinen sieben Kindern nach Hütten flüchtete und für lange Zeit der letzte evangelische Pfarrer in Grafenwöhr war. Der Krieg setzte natürlich auch dem Pfarrhof zu und der schlechte Zustand wurde seinem Nachfolger zum Verhängnis.
Mord im Pfarrhof?
Virgilius Sebastian de Grossenbach, starb 1653 im Pfarrhof in seiner eigenen Blutlache. War es ein Unglücksfall oder gar Mord durch seine Haushälterin Magdalena Puchfelderin? Die Sache kam vor Gericht und die Pfarrköchin erklärte, dass sie abends heimkehrte und ihren Herrn schwer verletzt und bewusstlos im Hausgang liegen fand. Zuvor hatte der Pfarrer noch Besuch empfangen, Wein gebechert und sich mit seinem „Tabak“ wie immer zurückgezogen. Anscheinend war er über die finstere steinerne Treppe herabgestürzt. Der Bader legte dem Gericht seine „rechtsmedizinische Untersuchung“ vor und bestätigte die These vom Treppensturz. Die Haushälterin wurde freigesprochen und der Unglücksfall im Protokoll beschrieben mit „im Daumel wegen des Tobaktrinkhens (= Rauchen)“, gestorben. Puh, was hatte der wohl geraucht? Jedenfalls wurde er in der hiesigen Alten Pfarrkirche begraben und offenbarte in seinem Nachlass ein weiteres seltsames Hobby: Er sammelte Dietriche und Schlösser aller Art und Größen, ob aus Freude am Sammeln oder als Nebeneinkunft zum kargen Lohn ist nicht bekannt. Vielleicht hatte er die Utensilien auch im Beichtstuhl konfisziert…
Erst einem adligen Schotten, Pfarrer Brockie gelang es 1763 nach 200 Jahren die Renovierung des Pfarrhofes auf Kosten von Kloster Speinshart durchzusetzen. Ausgerechnet ein Schotte: manchmal ist Geiz wohl eben doch „geil“ und zielführend. Das Gemäuer blieb trotz Sanierung eine Dauerbaustelle, deshalb zog der Pfarrhof 1828 auf den Marienplatz um, wo das Gebäude des aufgelösten Pflegamts frei geworden war (heute Neubau mit Steuerkanzlei.) Im alten Pfarrhof begann 1932 die Geschichte des Kultur-und Militärmuseum als Heimatmuseum, 1945 wurde das Haus beim Bombenangriff beschädigt und war in der Nachkriegszeit privat bewohnt. Heute ist der Pfarrhof verwaist – sozusagen ein Lost Place -, aber die Anekdoten der einstigen Bewohner leben weiter.
Die Geschichte zeigt, dass der Pfarrberuf – zumindest in Grafenwöhr – anstrengend und gefährlich sein kann. Manchmal sogar tödlich. Zwei weitere Grafenwöhrer Geistliche starben in Ausübung ihres Amtes. Einer bei einer Prozession nach Pressath direkt am Stadttor der Nachbarstadt, ein anderer auf der Kanzel bei der Feier des Skapulierbruderfestes, eines katholischen Vereins. Für angehende Grafenwöhrer Geistliche empfiehlt sich deshalb: Augen auf, bei der Berufswahl …