Seit dem Mittelalter waren Handwerker in Zünften organisiert. Laut der Schenkl-Chronik waren die Mitglieder der Handwerkszünfte in Grafenwöhr hoch angesehen und auch sie lebten nach den strengen Satzungen der Zunftordnung. Dem Handwerk ist im Kultur- und Militärmuseum in der Dauerausstellung „Ackerbürger“ eine ganze Ecke gewidmet. Im Regelwerk der Zünfte war nicht nur die Ausbildung der Handwerker festgelegt, sondern auch Preise, Löhne und die Verwendung einwandfreien Materials. Zudem war die Fürsorge um Hinterbliebene und eine sittlich-religiöse Lebensführung festgeschrieben. Das Recht (Gerechtsamkeit) ein Handwerk auszuüben lag auf dem jeweiligen Anwesen. Neue „Gerechtsamkeiten“ waren schwer zu erlangen. Einfacher war es „einzuheiraten“. Wurde ein Gewerbe auf einem Grundbesitz lange nicht ausgeübt, bedurfte es der landesherrlichen Genehmigung zur sogenannten Wiederaufrichtung. Einfach hatten es die Handwerker in früher Zeit nicht!
Das „Heiligtum“, die Lade
Vierteljährliche Zunftversammlungen sorgten für regen Gedankenaustausch innerhalb des Handwerks und das Symbol und „Heiligtum“ der Zunft war die Lade. Diese enthielt alle wichtigen Urkunden, Zunftbriefe, Privilegien, Meisterbücher, Siegel und Kleinodien, z. B. silberne und zinnerne Becher und Pokale. Ohne Waffen und im Feiertagsgewand versammelten sich die Mitglieder um die Lade. War diese geöffnet, mussten Zank und Streit verstummen und nur dem Handwerk nützliche Gespräche durften bei offener Lade stattfinden. Drei dieser Zunftladen sind noch im Museumsbestand erhalten und eine ist in der Ausstellung zu sehen.
Wanderburschen gesucht
Eine besondere Aufgabe der Zünfte war die Ausbildung neuer Handwerker und auch dieser Vorgang verlief geordnet. In allen Orten mit Zünften gab es Zunftherbergen und jeder Meister, der einen Gesellen brauchte, ließ seinen Namen an eine Tafel in der Herberge schreiben und versuchte auf diese Weise für seinen Betrieb einen fleißigen Gesellen anzulocken. Kein Meister durfte einem anderen den Gesellen oder Lehrling abspenstig machen. Die Gesellen auf Wanderschaft führten ein Wanderbuch mit sich, das als späteres Erinnerungsstück diente. Im Museum sind einige erhaltene Wanderbücher ausgestellt und sollen den Betrachter daran erinnern, dass jede Zeit eigene Geschichten zu erzählen hat.
Eine „Büchse“ für den guten Zweck
In die Zunftkasse, „Büchse“ genannt, leistete jeder Meister und Geselle gewisse regelmäßige Beiträge. Mit den gesammelten Beiträgen unterstützte man in Not geratene Meister, Gesellen, Witwen und Waisen. Geld aus der Büchse durfte nicht für Feiern und Gelage verwendet werden, so Schenkl.
Zunftstangen
Bei kirchlichen Prozessionen beteiligte sich die gesamte Zunft und jedes Handwerk trug seine eigene Zunftstange mit. Die geschnitzten und vergoldeten Lichtträger mit den Abzeichen der betreffenden Zunft können im Museum besichtigt werden.
Wurde ein Mitglied beerdigt, durfte niemand unter Strafe einem solchen Begräbnis fernbleiben. Die Zunftvorschriften begleiteten den Handwerker von seinem Eintritt ins Gewerbe bis zu seinem Grab.
Gewerbe schließen sich zusammen
Um eine Zunft gründen zu können, waren in einem Ort sieben Meister des gleichen Handwerks erforderlich. War das nicht der Fall wurden diese vom Nachbarort einverleibt. Darüber gab es so viele Streitigkeiten, dass man später verwandte Gewerbe unter einer Zunft vereinigte, wie z. B. Schmied und Wagner oder Maurer und Zimmerleute.
Im 15. Und 16. Jahrhundert erreichte das Handwerk seinen Höhepunkt und der Wohlstand der Bürger wuchs. Ein altes Sprichwort aus dem Mittelalter, das auch heute noch Gebrauch findet, trifft es sehr gut: „Das Handwerk hat einen goldenen Boden“. Die Zünfte wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts abgeschafft und es folgten die modernen Nachfolger – die Handwerksinnungen.
In Grafenwöhr begegnet man den alten Handwerkskünsten noch heute in Hausnamen. Braune Schilder an den Häusern in der Altstadt, mit Namen wie Torwagner, Torschuster, Stadtmüller, Mockenbeck, Hafnerschmied, geben Auskunft über ihre ehemaligen Bewohner und Berufe.