Deutschland und ganz im Speziellen Bayern ist das Land der Biertrinker. Bier wurde in Grafenwöhr ab Ende des 19. Jahrhunderts in der Löwenbrauerei gewerblich gebraut und vermarktet. Aber schon seit dem Mittelalter taten sich die Grafenwöhrer zusammen und brauten im Kommunbrauhaus der Stadt ihr eigenes „flüssig Brot“.
Im Gebiet der nördlichen Oberpfalz, wo sich Städte und Märkte erst ab 1300 bildeten, wurde das Brauprivileg zusammen mit der Markt- oder Stadterhebung allen Bürgern des Ortes verliehen. In Grafenwöhr nahm das Bierbrauen eine herausragende Stellung ein und fast jedes Bürgerhaus besaß das Braurecht wenn auch nur für den Eigengebrauch, den sogenannten Haustrunk, gebraut wurde, so erzählt es uns die Schenkl-Chronik. Wegen des Mangels an Eis konnte in früher Zeit nur im Winter gesotten werden. Die Biere waren, da sie lange gelagert werden sollten, stark gehopft. Die Maische für den Zoigl oder besser gesagt, den Zeigl, wie es bei uns hieß, wurde gemeinschaftlich im Kommunbrauhaus, in der Wolf-Dietrich-Mayr-Straße, gekocht und gehopft. Der Stärkegehalt von 12 % durfte nicht überschritten werden, denn das Zollamt kontrollierte regelmäßig. Die gewonnene Würze nahmen die Zoiglbrauer mit nach Hause und versetzten diese mit Hefe. Zur Lagerung standen den Brauberechtigten die Felsenkeller am Annaberg zur Verfügung. Der “Wirt“ zeigte den Beginn des Ausschankes durch das Aushängen des Bierzeigls, auch Zoiglstern genannt, an. Vor dem Ausschank überprüften die Bierkieser die Qualität des beliebten Gebräus und je nach Befund setzten sie den Preis fest und schrieben diesen mit Kreide an die Stubentür.
Neben dem eigentlichen Kernbier gab es auch das sogenannte Nachbier, das als Erntetrunk für Tagelöhner und Dienstboten verwendet wurde. 1535 kam ein kurfürstlicher Befehl, dass das Kernbier für 2 Pfennig und das leichte Nachbier für 1 Pfennig abzugeben ist. Kemnath und Pressath beschwerten sich über die Grafenwöhrer, da deren viel größeres „Maß“ erheblich abwich, es stammte noch aus der Zeit, als der Ort den Leuchtenbergern gehörte. Die Grafenwöhrer drückten auf die Tränendrüse und durften ihre „Aich“ – also die Eichung – behalten. 1694 beschloss der Rat, dass immer zwei Zeigl geöffnet werden mussten, damit keine „Biernot“ eintrat. Zur Begründung schoben sie es auf die Wöchnerinnen, damit für diese genug Bier zur Kräftigung zur Verfügung stand. Ob das allerdings der wahre Grund war? Befürchteten sie vielleicht eher ihre eigene Unterversorgung? Oder waren sie besorgt um ihre Gemeindeeinnahmen? Denn für das gebraute Bier floss jeder neunte Pfennig in das Stadtsäckel. Je mehr getrunken und gebraut wurde, desto reichlicher sprudelte die Einnahmequelle.
1914 zählte man in Grafenwöhr noch ungefähr ein Dutzend sogenannte Zeigl- oder Kommunbrauwirtschaften. Auch zwischen den Weltkriegen wurde noch gemeinsam gebraut. Es wurde ein Braumeister bestimmt, der die Verantwortung trug und ein Sudbuch führen musste, um den Verlauf des Brauvorgangs und Experimente festzuhalten. Die letzte Maische entstand im Kommunbrauhaus 1941. Vielleicht ist 2021, genau 80 Jahre später, ein guter Zeitpunkt, um in Grafenwöhr wieder eigenes Bier zu brauen. Bier trinken und brauen ist in Bayern nicht nur Tradition, sondern eine Lebenseinstellung!