Frontchristbäumchen erinnert an Frieden
Unruhig sind die Zeiten heute weltweit, Krieg, Pandemien und Verschwörungstheorien gab es allerdings schon immer. Manchmal aber gibt es Lichtblicke in den wirren Zeiten und manchmal haben kleine Zeichen große Wirkung. So auch an Heiligabend 1914.
Ganz unscheinbar versteckt sich im Kultur- und Militärmuseum zwischen Uniformen und Militaria ein historisches Kleinod, das den Friedensgedanken zu Weihnachten nicht besser verkörpern könnte. Ein kleines Weihnachtsbäumchen, schon ziemlich alt, nicht mehr ganz so funkelnd, aber handlich und mit Anleitung noch in der original Pappschachtel verpackt. Früher gab es die Bäumchen zu Tausenden, heute aber fristet es als eines von nur noch einer Handvoll existierenden weltweit ein einzigartiges Dasein. Dennoch ist die Botschaft des kleinen Bäumchens nach wie vor aktuell.
Der Anfangspunkt seiner Geschichte liegt im Jahr 1914, dem Beginn des Ersten Weltkriegs. Im August 1914 zogen deutsche Soldaten noch patriotisch und siegessicher in den Krieg, im Glauben an Weihnachten längst wieder bei ihren Familien daheim zu sein. Es ist bekannt, dass es noch vier lange weitere Jahre dauern sollte, bis dieser Wunsch erfüllt werden sollte. Zur Motivation der Soldaten in den Schützengräben ließ die Oberste Heeresleitung tausende kleiner Christbäumchen produzieren, die Verwandte an ihre Lieben an der Front schicken konnten. Im Ständer des Bäumchens war ein Hohlraum, in dem Geschenke und Gaben verpackt werden konnten. Und so kam es, dass tausende kleiner Pappschachteln ihren Weg per Feldpost und mit dem Vermerk „Eilig! Weihnachtsbaum“ an die Front antraten, um zumindest etwas Weihnachtsstimmung in die Schützengräben zu bringen.
Und anscheinend zeigte die Maßnahme der Obersten Heeresleitung Wirkung. Man erzählt sich, dass am Heiligabend im ersten Kriegsjahr 1914 die deutschen Soldaten in den Schützengräben an der Westfront zusammensaßen und Weihnachtslieder rund um die Bäumchen sangen. Sogar Kerzen sollen die Wälle feierlich erhellt haben. Gegenüber hörte der britische Feind die Feierlichkeiten und schaute neugierig auf das Geschehen der Deutschen. Beide Seiten fassten Mut und Vertrauen, man wagte sich aus den Schützengräben heraus, ging aufeinander zu und begrüßte und umarmte sich. Die Überlieferung erzählt, dass die Soldaten sogar „Stille Nacht“ gemeinsam gesungen haben, jeder in seiner eigenen Sprache. Es war ein Wunder in einer hoffnungslosen Zeit: Feinde die sich am Tag vorher noch gegenseitig umbringen wollten, lagen sich in den Armen und feierten gemeinsam Weihnachten.
Die Oberbefehlshaber machten jedoch am nächsten Tag die Hoffnungen auf Frieden zunichte und verboten den Soldaten die Waffenruhe und Verbrüderung. Der Krieg ging vier lange Jahre weiter und kostete noch Millionen Menschen das Leben. Offiziell wurde die Begebenheit nie von den Heeresleitungen dokumentiert, von den Deutschen wurde sie gar jahrelang als unpatriotische Entgleisung geleugnet, doch sie ging als „Weihnachtsfrieden von 1914“ und als bedeutendes Zeichen der Nächstenliebe in die Geschichte ein.
Im Bewusstsein blieb sie durch Erzählungen und Briefe der deutschen und englischen Soldaten. Der irische Sänger Chris de Burgh ist im Besitz eines englischen Soldatenbriefes vom ersten Weihnachtsfeiertag 1914 und erinnert immer an Weihnachten daran: „Ich lese diesen Brief jedes Mal zu Weihnachten allen Gästen in unserem Haus vor, um zu zeigen, wie der Friedensgedanke von Weihnachten selbst Schützengräben überwinden kann. Es laufen mir jedes Mal Schauer über den Rücken, wenn ich ihn lese.“ Auch der Frontchristbaum im Kultur- und Militärmuseum ist ein original Relikt von 1914. Er stammt von Georg Felbermayr aus München, dessen Großvater selben Namens in der Bayerischen Armee diente. Er war im Ersten Weltkrieg an der Westfront und hatte den Weihnachtsfrieden selbst miterlebt. Als Erinnerung hat er das Bäumchen, um das herum gesungen wurde, mit nach Hause genommen und später seinem Enkel vermacht.
Heute erinnert es im Kultur- und Militärmuseum an die wundersame Begebenheit im Ersten Weltkrieg und weist darauf hin, dass auch kleine Zeichen große Wirkung haben können und Hoffnung verbreiten. Weiterhin soll es uns immer wieder mahnen, das in den letzten hundert Jahren Errungene mehr wert zu schätzen. Auch wenn wir heutzutage oft auf die komplizierte Welt oder die Europäische Union schimpfen, so bietet sie uns neben genormten Gurken, Eurokrisen und überteuerten EU-Gipfeln doch seit vielen Jahrzehnten eines: Frieden.