Die Stadtgeschichte Grafenwöhrs verbirgt so manches Geheimnis. Einige Rätsel konnten im Laufe der Jahrhunderte gelöst werden, andere wiederum bleiben im Verbogenen liegen, so auch der Standort der Ansiedlung Hertwigshof, die es bereits vor Entstehung der Stadt gab.
1283 wird der „Hertwigshof” aufgrund einer Verpfändung an den Bayerischen Herzog Ludwig II. urkundlich erwähnt, ein weiteres Mal in einem Vertrag von 1311, der die regionalen Besitzverhältnisse zwischen den Leuchtenbergern und Wittelsbachern regelte. In dieser Urkunde werden die Dörfer Gößenreuth, Hertwigshof, Runkenreuth und Trag genannt, über eine Siedlung namens Grafenwöhr wird noch kein Wort verloren. Es ist unumstritten, dass es den Hertwigshof gab, jedoch ist die Lage bisher unklar. Allein die Tatsache, dass dieser in einer Reihe mit Dörfern zwischen Eschenbach und Grafenwöhr genannt wurde, lässt vermuten, dass der Ort in der Nähe zu suchen ist. Die genannten Dörfer erscheinen wie Perlen an einer Kette aufgereiht, jedoch ist eine „Perle“ verschwunden. Spätestens mit der Stadterhebung Grafenwöhrs 1361 tauchte der Name „Hertwigshof“ in keiner Schriftquelle mehr auf.
Wie aus der Stadtchronik von 2011 hervorgeht, führt Dr. Reinhard Seitz Überlegungen an, dass der Hertwigshof bei einer Feldkirche an der heutigen Bundesstraße Richtung Pressath, dem sogenannten „Alten Kircherl“ zu suchen ist. Diese Kirche mit dem Patrozinium St. Ursula wird 1484 erstmalig urkundlich erwähnt, gemeinsam mit einem Siechenhäusl und einem Friedhof für ungetaufte Kinder, Erschlagene sowie unter seltsamen Bedingungen verstorbene Personen. Es könnte sein, dass dort lange vorher Hertwigshof angesiedelt war und deren Bewohner mit der Gründung Grafenwöhrs in die befestigte Stadt umgesiedelt sind. Topografisch lag das Kircherl an einer Stelle, an der sich der Rennweg nach Norden in unterschiedliche Trassen aufteilte, heute würde man von einem neuralgischen Verkehrsknotenpunkt sprechen.
Die Gegend in der nördlichen Oberpfalz war zur Zeit der Besiedlung so unwirtlich, dass sich die Siedler häufig in den Bereichen bereits vorhandener Wege niedergelassen haben. Nicht von der Hand zu weisen ist auch die Tatsache, dass der vermutete Standort Hertwighofs in Nähe der Creußen lag. War es nicht von jeher so, dass Menschen gerne an Gewässern sesshaft geworden sind? Der richtige Standort wird sich ohne Beweise nicht bestimmen lassen. Noch in den 1990er Jahren ließ die Stadt Bodenuntersuchungen vor dem Bau der Ochsenhut-Siedlung anstellen, leider ergebnislos. Dennoch erinnert heute der Straßenname „Hertwigshof“ in der Ochsenhut-Siedlung direkt an der Bundesstraße 299, die nach Pressath führt, an die verschwundene Ansiedlung. Die ungelösten Rätsel eines Ortes werden von Generation zu Generation weitergegeben. Vielleicht hat die Wissenschaft der Zukunft neue Möglichkeiten, solchen Dingen auf den Grund zu gehen. Bleiben wir gespannt.