Bei einem Spaziergang rund um den Annaberg kommt man an einigen Holztüren vorbei. Sind dort die Schätze der Grafenwöhrer verborgen oder handelt es sich vielleicht um die Eingänge in eine verborgene Märchenwelt der Feen, Elfen und Zwerge? Beim Öffnen dieser Türen, wird schnell klar, es handelt sich um Felsenkeller.
Bierkeller
Um das Jahr 1500 erfolgte die Umstellung in der Biererzeugung, indem man vom ober- zum untergärigen Verfahren überging. Das dazu notwendige Gärverfahren durfte 10 Grad Celsius nicht überschreiten und man nutzte die Felsenkeller, um diese konstante Gärtemperatur einhalten zu können. Aus dieser Zeit gibt es noch keine Überlieferung zu den Felsenkellern am Annaberg, aber bereits aus dem 17. Jahrhundert ist belegt, dass der Stadtpfarrer Friedrich Salmuth um Gerste für sein „Gebräulein“ bittet, also muss dafür schon ein Felsenkeller vorhanden gewesen sein. Aus dem Jahr 1759 ist belegt, dass sich eine kaiserliche Truppe an den Felsenkellern vergriffen hat und ebenso gibt es aus dieser Zeit Nachweise zu den Besitzverhältnissen der Keller. Im Testament des Stadtpfarrers Sebastian Raith von 1762 ist zu lesen, dass dieser „einen frey aigen Keller unter der Vöstung (Veste) und ein Rubengewölb außer dem obern Tor“ besaß.
Kartoffelkeller
Als sich 1771 der Erdäpfelanbau etablierte, bekamen die Felsenkeller eine weitere Aufgabe. Im Herbst nach der Ernte wurden die Erdäpfel in den Kellern eingelagert. Beim Hinuntertragen war festes Schuhwerk nötig, denn die Böden waren oftmals sehr feucht und rutschig. Nicht nur Kartoffeln, auch Rüben und andere Lebensmittel bewahrte man dort auf, denn die Temperatur betrug das ganze Jahr über 7 – 8 Grad Celsius und das waren optimale Bedingungen für die Lagerung.
Luftschutzraum
Bei den Luftangriffen am 5. und 8. April 1945 wurden das Lager und die Stadt Grafenwöhr in Schutt und Asche gelegt. Am 8. April, dem „Weißen Sonntag“, näherte sich Grafenwöhr gegen Mittag ein feindlicher Bomberverband. Die Menschen liefen hinauf zum Annaberg und suchten in den Felsenkellern Schutz. Die Keller am Annaberg waren voll mit Menschen, auch deutsche Soldaten waren darunter. Der Anflug der Flugzeuge kam vom Südwesten und die ersten Bomben trafen Einrichtungen im Lager. Jede Bomber-Staffel kam der Stadt näher, eine Angriffswelle folgte der nächsten. In ihrer Verzweiflung haben die Leute gebetet, zuerst nur einige Frauen, später alle zusammen. Bei der fünften und letzten Angriffswelle wurde die westliche Altstadt bombardiert, Einschläge gab es auch in der Nähe des Annabergs. Viele Schutzsuchende haben geweint und geschrien, sie dachten, die Welt geht unter. Die schlimmen Erlebnisse von damals wurden von vielen Zeitzeugen aufgeschrieben, aufbewahrt werden sie für die Nachwelt in den Archiven des Kultur- und Militärmuseums.
Wissenswertes
Die Keller wurden in reiner Handarbeit in den Sandstein gehauen. Graue Lehmbänder, die sogenannten Lassen, durchziehen die Wände und Decken. Sie bestehen aus feuchtem Lehm und sind wasserundurchlässige Schichten. Manche Keller sind salztrocken, andere wiederum feucht. Neben den 18 zugänglichen Felsenkellern am Annaberg gibt es noch einen an der Pressather Straße und einen bei der Felsmühle. In verschiedenen Kellern glänzt es wie Edelgestein an der Decke. Diese perlenartigen „Bergkristalle“ sind Wassertropfen an den durchgewachsenen Haarwurzeln der auf dem Berg stehenden Bäume. Zum Schutz der Keller wurden auf dem Annaberg keine neuen Bäume gepflanzt. Der moderne Kühlschrank hat die Felsenkeller abgelöst, dennoch werden sie heute noch genutzt, denn Fledermäuse schätzen das Klima, die Dunkelheit, die Ruhe und fühlen sich in den Kellern am Fuße des Annabergs sehr wohl. Auch wenn sie heute nur noch für diese kleinen Bewohner Lebensgrundlage sind, werden die Felsenkeller in Erinnerung an die Grafenwöhrer, die vor langer Zeit diese Keller mühsam in den Berg gehauen haben, als wichtiges Kulturgut bewahrt.